Verlagslogistik 2020 braucht Brief und Paket
Michael Tallai - Mediengruppe Thüringen
Die Konferenz „Verlagslogistik 2020“ in Berlin beginnt mit einem direkten Blick auf die Synergieeffekte zwischen der Verlagslogistik mit seiner eigenen Pressezustelllogistik und den Zustellpotentialen im Bereich Brief, Postsendung und Paket. Michael Tallai, Geschöftsführer der Mediengruppe Thüringen Verlag GmbH präsentierte nicht nur hervorragende Zahlen, sondern auch einige mahnende Worte und harte Fakten, die in der Verlagswelt schon bekannt aber selten offen ausgesprochen werden.
Mediengruppe Thüringen – hybride Zustellung von Presse & Brief
Die Mediengruppe Thüringen Verlag GmbH mit Sitz in Erfurt hat pro Woche eine Gesamtauflage von rund 2,7 Millionen Presseerzeugnisse – ausgetragen werden diese durch rund 7.500 Zustellern. Diese stellen Briefe aus 28 Depots zu (über rund 1.500 Zustellrouten). Eine integrative Durchführung ergab hier aus Konzernsicht aus der Notwendigkeit der Schaffung und Nutzung von Synergieeffekten. Daher haben die Erfurter alle Zustellvorgänge in einer Tour zusammengelegt – also Tageszeitung, Brief und Anzeigenblatt. Die Touren haben zwei Durchführungszeiten: bis 6:00 Uhr und bis 12 Uhr. Die Briefzustellung erfolgt dabei aber nur von Montag bis Freitag. Die Ausweitung von Zustelloptionen auf der letzten Meile ist geplant – aber es hängt an den Mitarbeitern. Rund 80 Prozent der Zusteller geben nach nur einem Monat wieder auf. Daher arbeitet das Unternehmen hart an der Attraktivität des Berufsstandes.
Kritischer Punkt der Vorstellungen ist aber nicht nur der Arbeitskräftemangel – auch das Konkurrenzdenken zwischen Verlagsprodukten auf der einen Seite und den Postsendungen auf der anderen hat immer noch seine Wurzeln in den Köpfen der Branche – so Tallai. „Man braucht die Post, um Vollzeitzustellung für Presse wirtschaftlich abbilden zu können.“ In gewisser Weise bedrohen die hohen Kosten für die Logistik – vergangenes Jahr rd. 22 Millionen Euro bei der Mediengruppe Thüringen – die wirtschaftliche Existenz der Verlage, wenn es nicht synergetische Lösungen gibt.
Fakten und Innovationen der Mediengruppe Thüringen
Umweltverträglichkeit durch Innovation und Zusammenarbeit
Direkte Antwort darauf im zweiten Vortrag: „Logistik bedroht die Verlage, wenn sie nicht wirtschaftlich sind – wie mein Vorredner Herr Tallai sagte – dann kommt die Zeitung nicht mehr nach Hause!“ Stephan Schwartzkopff, Sprecher des Kompetenznetzwerkes Nachhaltige Mobilität eG, bricht eine Lanze für das übergeordnete Ziel der umweltbewussten Logistikleistung. Denn umweltneutrale Zustellung bringt nicht nur Entlastung für den Lebensraum und Luft, sondern auch für die wirtschaftliche Situation der Verlagslogistik. Dabei kommt es aber nicht auf den hybriden Ansatz von Touren mit Brief und Presseerzeugnis an, sondern um Zusammenarbeit. Gemeinsame Depots, gemeinsam genutzte Flotten, unternehmensübergreifende Touren führen zur effizienten Ausnutzung und auch Schonung der Ressourcen. Die Elektromobilität wird an Einfluss gewinnen – eingedenk der auch fördertechnischen Aufrüstungen der Bundesregierung in dieser Woche! Entsprechend euphorisch und auch polarisierend wirken die Forderungen von Schwartzkopff. Aber die Leitfragen treffen die anwesenden Manager der Medienkonzern direkt:
Stephan Schwartzkopff - Umweltexperte
- Was braucht Ihr Kunde bis 2020
- Was würde Ihrem Kunden gefallen bis 2020
- Wer ist Ihr Kunde bisher und wie entwickelt er sich in den kommenden Jahren?
- Welche Entwicklungen wird die Branche machen, um bis 2050 „nachhaltig“ zu sein?
Die großen Postlogistiker machen es ja schon vor – die Deutsche Post AG mit ihrer Pakettochter DHL will bis 2050 null Emissionen produzieren und damit zum „grünen Logistiker“ werden. Wie das für die Verlagslogistiker zu machen sein soll, dafür hat Schwartzkopff auch ein paar innovative Ideen – etwa das Crowd Delivery Modell. Entweder könnten Kunden, die sowieso an einem Servicepunkt etwas entgegennehmen für Nachbarn oder Freunde gleich deren Sendungen mitabholen, oder diejenigen, die bestimmte Fahrtwege übernehmen, könnten Sendungen für Kunden, die am Wege liegen, zustellen. All das setzt natürlich das Vorhandensein einer durchgehenden, digitalen Struktur voraus, die sowohl die Entgegennahme der Postsendung als auch deren Zustellungsablauf komplett begleitet und bei Schwierigkeiten die Möglichkeit der Disposition zulässt. Sie „sollten den Plüsch des viktorianischen Zeitalters über Bord werfen und sofort starten…“, so Schwartzkopff.