Amazon bastelt sich Partner für Zustellung

Postmarkt USA

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Was sich anhört, wie ein Angriff auf die etablierten Paketdienste, ist in Wirklichkeit fast noch schlimmer. Zumindest aus Sicht von DHL & Co. Amazon will in den USA ein Programm aufsetzen, um das Problem fehlender Kapazitäten auf der letzten Meile in den Griff zu bekommen. Und das ist im amerikanischen Heimatland des Online-Konzerns eklatant – mehr als eine Milliarde Lieferungen im Jahr 2018 sind zu verzeichnen gewesen. Und 40 Prozent von den erzielten B2C-Onlineumsätzen gehen laut Wall Street Journal auf das Konto von Amazon.

Da überrascht es wenig, dass der Konzern alle möglichen Entwicklungen für die letzte Meile befeuert. Drohnen, Roboter oder Crowd-Delivery sind da genauso in der Forschung, wie utopisch klingende fliegende Paket-Hubs und bewegliche Sortierzentren. Ganz klar realistischer scheint da das neue Strukturprogramm für mehr Zusteller zu sein – „Aktive Starthilfe“ für eigenständige Subunternehmer genannt:

  • Ziel: Paket-Zustell-Dienste mit mehreren Fahrzeugen
  • Nutzung von Amazon Fahrzeugen
  • Angebot vorteilhafter Versicherungspakete
  • Angebot von Mitarbeiter-Ausstattungen
  • Aus- und Weiterbildungsangebote

Wenn es in den USA funktioniert, könnte ein "Ausrollen" des Prinzips weltweit, und damit auch in Deutschland, ganz schnell kommen. Noch rechnen die Analysten mit ein bis zwei Jahren Anlaufzeit - aber es wäre nicht das erste Mal, dass die Truppe von Jeff Bezos alle Analysen über den Haufen wirft.

Hauptziel: Durchgängiger Zugriff auf letzte Meile

Wie fast immer bei Amazon treibt der Online- und Technologie-Konzern eine Branche vor sich her, im Fall der Paketdienste aber auch notgedrungen. Der Onlinehandel steigt jährlich um mehrere Millionen Pakete – die Paketdienste, allen voran die DHL, haben diese Entwicklung mit Wohlwollen aber auch mit Nichtstun zur Kenntnis genommen.

Berufsbild Zusteller miserabel in der Wahrnehmung

Der Beruf des Zustellers ist seit den Tagen der „Christel von Post“ der eines Beamten, der auf dem Postwagen, respektive jetzt auf dem Lastenfahrrad, sitzt, griesgrämig in die Gegend schaut und widerwillig seinen Job macht. Grund genug gäbe es ja für Griesgram und Widerwillen. Die meisten Zusteller sind hoffnungslos überlastet, laufen, radeln und fahren jeden Tag Kilometer um Kilometer, erhalten kaum ein nettes Wort und müssen sich immer häufiger für ihre harte Arbeit rechtfertigen. Der Mindestlohn, der seit einiger Zeit (endlich möchte man sagen) für die Zusteller gilt, wird von den Lenkern der Paketdienste auch gleich als Begründung für höheres Porto herangezogen. Es bewegt sich schlicht nichts – der Zusteller gilt in den großen Unternehmen als „Schütze Arsch im letzten Glied“.

Zustellnetzwerk Amazon Logistics noch klein in Deutschland

Höchstwahrscheinlich ist das ein Grund für die nur sehr zaghaft wachsenden Zusteller-Zahlen bei DHL & Co. Amazon reicht es nun mit dem Trödeln – und die Amerikaner tun das, was sie immer tun in einer solchen Situation. Sie wollen das Problem selber angehen. Die eigene Logistiksparte hat schon Sortier- und Verteilzentren in Amerika und Europa, etabliert ein Packstationsnetz, ordert eigene Flugzeuge für den überstaatlichen Transfer – was liegt also näher, als das eigene, dezentrale Zustellernetzwerk auszuweiten. Natürlich wird dies erstmal in den USA getestet, aber die europäischen Paketdienste, allen voran die DHL, sollten sich schon mal sturmfest machen.

Ein einfaches, für alle Beteiligten erfolgversprechendes Netzwerk wäre der erste wirklich gefährliche Angriff auf das monopolistische Verhalten der DPDHL AG. Denn es ist zu bedenken, dass die Betriebsmittel, die hier so generös an die Subunternehmer vergeben werden, mit an hundert Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit komplett vernetzt und dateneinheitlich standardisiert funktionieren. Echtzeit-Tracking, Lieferzeitfenster von einer Stunde, flexible Veränderung von Lieferort und Lieferzeit noch während der Tour – das sind derzeit beinahe unerreichbare Funktionen. Mit einer dezentral aufgebauten, komplett vernetzten Flotte wäre das jedoch zukünftig eher kein Problem mehr.

„KEP-Dienste deutschlandweit, digitalisiert Euch!“

Die regionalen Post- und Paketdienstleister stehen durch diesen schon am Horizont sichtbaren Wechsel der Paradigmen in der Paketzustellung vor dem Problem, dass die bisherige, sehr oft behäbige Denkweise von Insellösungen und unabgestimmten Digitalisierungsversuchen ganz schnell ins Abseits führen könnte. Betritt ein digital integrativ denkender Bewerber den Markt, der Leistungen und Funktionen anbieten kann, die jenseits der eigenen Leistungsfähigkeiten liegen, werden die Geschäftskunden schnell das Weite suchen.

Einziger Ausweg: Adaptieren des Konzeptes – die KEP-Unternehmen müssen die eigene Digitalisierung beschleunigen und die Scheuklappen sowie die eigenen Animositäten gegenüber anderen regionalen Paketdiensten ablegen. Gemeinsam und mit einer standardisierten Oberfläche und Datenstruktur sparen alle Teilnehmer enorm Kosten und Zeit. Außerdem sind Konsolidierungen auch für Amazon als Logistik-Carrier völlig unproblematisch. Die private Post würde so ein deutlich größeres Stück vom Paketkuchen bekommen und gleichzeitig enorm effizient arbeiten. Eine Zukunft, die ohne den Wandel hin zum Digitalen Unternehmen, eher nicht eintreten wird.