KEP-Chance: Post testet verringerten Rhythmus bei Briefzustellung
Postmarkt Entwicklung - Bonn
Der Quasi-Monopolist DP AG scheint heimlich, still und leise an einer Säule der eigenen Marktposition zu arbeiten. Laut der Post-Universaldienstleistungsverordnung muss die Post als ehemaliges Staatsunternehmen sicherstellen, dass „die Zustellung […] mindestens einmal werktäglich zu erfolgen“ hat (§ 2 Nr. 5 PUDL). Das Zustellen wird somit für Montag bis Samstag gesetzlich vorgeschrieben. Gerade diese flächendeckende Grundversorgung der deutschen Bevölkerung ist einerseits eine Triebfeder der weiterhin marktbeherrschenden Position in diesem Bereich, andererseits aber auch ein enormer Kostentreiber - da Flexibilität und sendungsvolumenbezogener Einsatz damit nur gering vereinbar sind.
Feldversuch: KEINE werktägliche Zustellung mehr
Deshalb scheint der "gelbe Riese" eine Veränderung, zumindest auf lobbytechnischer und argumentativer Ebene, vorantreiben zu wollen. Das berichtete der Bonner Generalanzeiger gestern. Die Post hat dafür seit Juli in einigen engbegrenzten Gebieten begonnen, eine verringerte Frequenz der Zustellung zu etablieren. Speziell geschulte Zusteller der Post werben dafür, dass nur noch ein bis dreimal in der Woche Briefe zugestellt werden muss. Der Feldversuch ist zeitlich begrenzt. Dabei wurde das "Überzeugungskonzept" dreigleisig aufgebaut:
- Variante 1: Die Zustellung ausschließlich am Samstag – Motivation durch kostenlose Warenprobe
- Variante 2: Die Zustellung nur an Dienstagen, Donnerstagen und Samstagen
- Variante 3: Die Zustellung am Arbeitsplatz von Montag bis Freitag
Diese Varianten gelten für den Feldversuch ausschließlich für normale Briefe, Warensendungen oder Einschreiben sowie sämtliche Pressesendungen sind explizit ausgenommen – was nützt auch eine Tageszeitung vom Montag am Dienstag!
Sammlung für Argumentation bei Lobbyarbeit
Die Zielrichtung scheint gleich auf mehrfachen Ebenen sehr interessant verankert zu sein. Grundlegend spricht natürlich die gesetzliche Grundlage - die obengenannte Post-Universaldienstleistungsverordnung – gegen eine Verringerung der Zustellfrequenz. Doch Gesetze und Verordnungen lassen sich ändern – und dass die Deutsche Post es sehr gut versteht, hervorragende Lobbyarbeit zu betreiben, ist hinlänglich bekannt. Erinnert sei hier nur daran, dass die Entwicklungen in der Elektromobilsparte der Post AG mit dem StreetScooter zu einem Drittel vom deutschen Staat finanziert werden. Wichtig dafür sind aber Argumente, denn es geht schlicht um die Frage, ob eine werktägliche Brief-Zustellung noch zeitgemäß ist?
Entlassungen bei Zustellern?!
Dahinter werden wohl aber keine Modernisierungsideen sondern, wie schon eingeleitet, einige ganz andere Überlegungen stecken. Die werktägliche Zustellpflicht ist ein enormer Kostenfaktor, allein das Heer der Zusteller sorgt für erhebliche finanzielle Aufwände – die bei einer Drosselung der Frequenz erheblich verringert werden könnten. Eine Entwicklung, welche auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kommen sieht und vor der sie in einer Pressemitteilung schon gewarnt hat.
Zusatzvergütung für "doch" werktägliche Zustellung denkbar
Ein zweiter nicht unerheblicher Faktor ist die Einnahmenseite im Briefsektor. In den letzten Jahren wurde das Porto für den Standardbrief immer wieder angehoben. Seit 2012 ist es um über ein Viertel gestiegen. Die derzeit 70ct scheinen aber immer noch zu wenig, um die sich verringernden Briefmengen abzufangen. Würde aber eine der drei Varianten des Feldversuches in den normalen Betrieb überführt werden, gäbe es Zuwachs auf der Einnahmenseite! Der Empfänger würde zum Kunden – wer werktägliche Post benötigt, würde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Geld für den „neuen“ Service bezahlen müssen.
Unsicherheiten beim Versender
Die aus Sicht der Aktionäre und Entscheider bei der Deutschen Post AG durchaus wünschenswerte Aufweichung des § 2 Nr. 5 PUDL führt aber auch zu einer Unbestimmtheit der Briefzustellungsleistung. Wenn ein Versender, der das normale Porto bezahlt, nicht weiß, wann genau sein Brief zugestellt wird, hat er viele Unwägbarkeiten und auch Nachteile zu lösen. Stichwort: Zugang von rechtlich immanenten Schriftstücken, wie Kündigungen, Genehmigungen oder Vollmachten. Auch hier wird die Post mit Sicherheit eine, mit Zusatzentgelt belegte, Lösung anbieten. Der Briefsektor könnte also durch eine simple Gesetzesänderung ein rentableres Geschäft werden.
Chance für die KEP-Dienste
Der Rückzug des Einen könnte eine Chance für andere Marktteilnehmer bedeuten. Hier sind die regionalen und lokalen Postdienstleister durchaus im Vorteil. Zum einen haben diese schon existente, hochfunktionale Zustellnetze aufgebaut, zum anderen arbeiten einige in hybrider Zustellung – das bedeutet, dass sowohl Pakete und Päckchen als auch Briefe in einer Tour zugestellt werden. Hinzu kommt im Geschäftskundenbereich der Faktor Dienstleistung. Neue Postsendungen werden durch den Zusteller auch gleich wieder mitgenommen. Die werktägliche Zustellungsfrequenz wird bei überschaubaren Kostenstrukturen dabei beibehalten – ein sehr starkes Argument bei der Neukundengewinnung, gerade im B2B Bereich.
Hybride Zustellung der privaten Post als Marktchance
Da hinter vielen Postdienstleistern große Verlagslogistiker stehen, käme einer weiteren Ausweitung der hybriden Zustellung nicht nur eine noch größere Bedeutung zu sondern sie würde die Argumentation zur Abkehr von den Leistungsversprechen der Deutschen Post hin zu den flexiblen, preiswerteren und verlässlicheren Angeboten der privaten Postdienste extrem bestärken. Aus Sicht der kleineren Postanbieter müssen die Pläne der Post mit ziemlich großem Interesse beobachtet werden – denn durch die eigenen innovativen Bestrebungen in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung sind Anbieter, wie PostModern, LVZ Post, Nordkurier oder MZZ-Post auf einem sehr guten Weg!