Onlinehandel vs. Paketdienste – Hermes & DHL blasen zur Attacke

Postmarkt

DPDHL-Stillstand-statt-Fortschritt

Amazon, Zalando & Co. sind die Top-Kunden in puncto Sendungsaufkommen bei den großen Paketdiensten, allen voran bei der DHL. Bis zum Jahr 2022 soll die Zahl nach Informationen des Handelsblattes auf mehr als 500 Millionen Pakete anwachsen. Klingt nicht nach der Begründung, die es braucht, um den verantwortlichen Vorstand Gerdes zu feuern. Doch die Zahlen haben gleich mehrere Haken.

Zum einen liegen die Einnahmen pro Sendung nicht bei 4,95 Euro, die Otto-Normal für ein Standardpaket bezahlen muss, sondern eher bei 3 Euro. Zum anderen baut Amazon kräftig an der eigenen Logistik und hat ein immer engmaschigeres Netz an Verteil- und Sortierzentren, Depots und eigenen Zustellstrukturen vorzuweisen. Hinzu kommen Angriffe auf die „DHL-hoheitlichen“ Bereiche wie die Packstationen. Auch da läuft der Onlineriese mit rasanten Schritten vorwärts. Deswegen vermutet die DHL, dass in drei Jahren von den geschätzten 500 Millionen Paketen jede vierte Sendung vom Amazon-Logistiknetzwerk selbst ausgeliefert wird.

DHL hat es „verschlafen“ – Chance für KEP

Nun heißt es für die Post: Anpacken und umplanen! Ein Strukturprogramm mit 500 Millionen Euro hat Postchef Appel, der jetzt auch das Kerngeschäft Brief und Paket beim „Gelben Riesen“ verantwortet, aufgesetzt. Großes Trara also beim Marktführer!

Für die Paketdienste jenseits der ganz Großen ergeben sich hier jedoch enorme Möglichkeiten. Denn die Voraussagen der DHL haben einen Malus – das Verständnis für die Struktur des Amazon Logistiknetzwerkes. Für die DHL ist jedes Paket, das nicht hoch auf dem gelben Wagen fährt, ein verlorenes Paket. Für Amazon ist jedes Paket, dass über die eigene Logistikschiene läuft, nicht gleich eine Nullkosten-Lieferung. Je nach Lieferdringlichkeit müssen auch hier hohe Kosten einkalkuliert werden. Dabei geht es aber, anders als bei den großen Paketdiensten, nicht um die Erweiterung der eigenen Flotte – es werden fähige und willige KEP-Dienste ins Boot geholt werden.

Amazon-Pakete-abgestellt

Zukunftserfolg gesichert – Voraussetzung: Digitaler Paketdienst

Diese Paketdienste müssen jedoch den Anforderungen, die Amazon an seine Lieferungen und Lieferanten stellt, gewachsen sein. Abgesehen von der leidigen Kostendiskussion, die jeder KEP-Dienst bei einem solchen Großkunden haben wird, müssen die Sendungsdaten ordentlich in den eigenen Ablauf integriert, an das Zustellpersonal ausgespielt und die notwendigen Zustellnachweise wieder zurück an Amazon Logistics übertragen werden. Sind diese Abläufe innerhalb des KEP-Dienstes standardisiert, entsteht eine hervorragende Basis, um die steigenden Paketmengen mit abzufedern und einen guten, eigenen Umsatz zu generieren.

Amazon steht mit seiner Logistiksparte genau vor den gleichen Problemen auf der letzten Meile, wie DHL, Hermes & Co. Dabei spielt, wie erwähnt, nicht die Rekrutierung von potentiellen Auslieferern eine Rolle, sondern die Qualität der Zustellleistung. Dort wo bei den „arrivierten“ Paketdiensten eine Zweitzustellung oder Ablage beim Nachbarn Standard ist, gehen die Amazon Subunternehmer gern einen eigenen Weg – wie das Bild aus meinem Hausgang in München zeigt. Sendungen werden im Flur, unter den Briefkästen oder Hof abgeladen. Hauptsache: Sie sind raus aus dem Wagen.

Zustellleistung auch von Amazon meist traurig

Der Onlineriese hat diese Schwierigkeiten zumindest „auf dem Schirm“ und wird immer mehr digitale Nachweise und Mechanismen einbauen, um einen besseren Zugriff auf die Qualitätsstandards der Subunternehmer zu gewinnen. Im Ergebnis verbessern sich also die Chancen für diejenigen KEP-Dienste, die auf ein eigenes Digitalkonzept setzen. Auf der einen Seite wird Großkunde Amazon befriedigt, auf der anderen werden die internen Abläufe effizienter und die Qualität besser. Eine „win-win“-Situation!

Hermes schwimmt ebenfalls

Was passiert, wenn die Strukturen unkontrolliert wuchern, scheint gerade die Hermes Gruppe zu erfahren – zwei von drei Topmanagern müssen ihren Hut nehmen. Die Gründe sind in der offiziellen Stellungnahme wenig überraschend sehr schwammig dargelegt. Fakt ist, dass Hermes Deutschland, anders als der Rest der Gruppe, im Jahr 2017 Verluste schreiben musste.

Gründe: Vergessene Synergieeffekte, verspätete Infrastruktur-Maßnahmen

Fakt ist auch, dass die öffentliche Erklärung, dass die Paketmassen vor Weihnachten nicht wirklich zu schaffen seien und daher eine Deckelung der Maximalmengen pro Tag notwendig wird, ein Zeugnis für die schlechte Infrastrukturplanung beim Paketdienst aus Hamburg. Last-but-not-least gelten seit März erhöhte Preise für Geschäftskunden, mit der Begründung, dass die letzte Meile immer teurer würde – keine Überraschung! Aber sie wird auch deshalb ineffizienter, weil viele Möglichkeiten der Synergienutzung und Optimierung einfach erst jetzt greifen können – wie etwa die geplante, dynamische Routenoptimierung mit dem Start-up Nunav.  

All das zusammengefasst zeigt, wie fragil ein Paketdienst sein kann, der zu einem Onlineriesen, in diesem Fall Otto, gehört. Natürlich zählt die letzte Meile zu den größten Kostentreibern, aber eben auch als direktes Aushängeschild der eigenen Leistungsfähigkeit. Auch Hermes hat Ehrgeiziges vor in puncto Umbau der Zustellorganisation und Elektrifizierung des eigenen Fuhrparks. Aber wenn es nicht gelingt, die normale Organisation zu entwickeln, also Fahrer anzulernen, Zusteller auszubilden, Verteilzentren und Hubs zu etablieren oder Wege zu verkürzen, stehen die großen Paketdienste vor der Existenzfrage – und die „Kleinen“ sollten sich auch für diesen Fall bestens positionieren, optimalerweise als Unternehmen mit durchgehender digitaler Strategie und vernetzten, internen Abläufen.